Schnittanpassungen - schnell und leicht erkannt?

Heute im Nähtalk möchte ich euch zeigen, dass es für jeden von euch ganz einfach und leicht sein kann, mit wenigen Schritten, ob ihr das ausgesuchte Schnittmuster ohne Schnittänderungen für euch nähen könnt, oder ob und welche Änderungen ihr vornehmen solltet.





Eine ganz wichtige Voraussetzung ist das richtige Maßnehmen.
Habt ihr euch die Maße notiert, die ich euch in den letzten Blog Beiträgen genannt habe?

Dann kann es auch schon losgehen ...

Was ihr noch benötigt: einen Fotokarton (50 x 70) , Lineal und einen Stift! (ok und wem es sicherer ist, noch einen Taschenrechner, aber es sollte auch ohne gehen ... lach)











Legt euch nun den Fotokarton so vor euch hin, dass die schmale Seite vor euch liegt.

















Ihr tragt nun zunächst auf einer der langen senkrechten Seite der Pappe, die vertikalen Maße ab
Das sind:
Abstand Hals bis oberen Brustumfang
Abstand Hals bis Brustumfang
Abstand Hals bis Taille
Abstand Hals bis Bauch/ oberen Hüftumfang
Abstand Hals bis Hüft-/ Gesäßumfang














Weiter geht es mit den horizontalen Umfangsmaßen.





Zeichnet euch eine waagerechte Linie vom Markierungspunkt oberen Brustumfang und tragt hier das Umfangsmaß ab. Achtung ! Wenn ihr euren vorderen Oberkörper zeichnen möchtet, so benötigt ihr das halbe Umfangsmaß.
Ich habe mich für meinen "halben" Oberkörper entschieden und daher muss ich dann nur das 1/4 Umfangsmaß abtragen.


Wie beim Einzeichnen des oberen Brustumfanges zeichnet ihr nun die weiteren horizontalen Umfangsmaße ein, ... also Brustumfang, Taillenumfang, Bauch bzw. oberen Hüftumfang und Hüft- bzw. Gesäßumfang.

Ihr seid schon fast fertig. Das Einzige was jetzt noch zu tun ist, verbindet die einzelnen Markierungspunkte

Ups ... fast hätte ich ja noch die Schulter vergessen!


Hier tragt ihr für die hälftige Vorderteilschablone auch die hälftige Schulterbreite ab und für die vollständige Vorderteilschablone das gesamte ermittelte Schulterbreitenmaß.
Da unsere Schultern ja nicht waagerecht verlaufen, ist diese Absenkung auch beim Einzeichnen der Schulterbreite mit zu berücksichtigen.
Es gibt eine App mit der man den Winkel des Schulterfalles ermitteln kann (ich hab es leider irgendwie nicht kapiert). 



Von daher hab ich hier tatsächlich mal "geschummelt" ... oha!!!
Den Schulterendpunkt habe ich ca. 3 cm nach unten gesetzt und von diesem Punkt dann die ermittelte Schulterbreitenlänge als leicht diagonale Linie gezeichnet.
Vom Schulterendpunkt bis zum oberen Brustumfangsmarkierungspunkt ist noch die Armlochkurve zu zeichnen. Habt ihr noch die Länge eures vorderen Armausschnittes notiert? Legt am besten ein Maßband so in Rundung, dass ihr euch dann mit dessen Hilfe die erforderliche Armrundung einzeichnen könnt. Gut eignet sich hierfür auch ein biegsames Kurvenlineal. 







(hier seht ihr, wie ich mit Hilfe des Kurvenlineals die Armlochkurve mir "zurechtbiege" und dann nachgezeichnet habe)





Alle anderen Markerierungspunkte könnte ihr nun miteinander verbinden, in dem ich leicht geschwungene Linien zieht.

Habt ihr alle Punkte miteinander verbunden und erkennt ihr euren (hälftigen) Oberkörper?
Super ... alles richtig gemacht!


Ihr habt nun euren  Oberkörper als Schablone mit den erforderlichen Linien und könnt mit diesem weiterarbeiten! Notiert euch auf dieser Schablone die jeweils ermittelten Maße. So müsst ihr nicht jedes Mal noch mal nachschauen, welchen Umfang bzw. Abstand ihr gemessen habt.

Wenn ihr, so wie ich, ebenfalls nur den hälftigen Oberkörper eingezeichnet habt, übertragt die Linien, Markierungen und Maße einfach auf die Rückseite, dann könnt ihr eure Schablone gut von beiden Seiten nutzen, was ich wirklich praktisch finde












Wie geht es jetzt weiter?

Mit Hilfe dieser Körperschablone könnt ihr nun auf einem Blick erkennen, ob und was ihr am Schnittmuster verändern müsst.

Wie? 

Legt diese Schablone einfach  auf  euer Schnittmuster!



Ich hab hier mal ein  Beispiel eines Schnittmusters. Exemplarisch habe ich das Schnittmuster von einem Schnitt von schnittquelle ausgewählt.
Es handelt sich um das Vorderteil für den Pulli Tarb in der Gr. 44.
Die Maßtabelle von schnittquelle sieht diese Größe vor,bei einem Brustumfang von 100 cm, TU von 84 cm und HU von 108 cm.
Bei meinen Maßen mit einem BU von 102, TU von 86 und HU von 106 habe ich mich für diese Größe entschieden und prüfe nun, ob und welche Veränderungen ich vornehmen muss.










Zunächst prüfe ich die Längenmaße und entscheide, ob ich hier etwas verändern muss.
- Die Armtiefe ist tiefer im Schnitt, d.h. mein Arm passt hinein
- Die Taillentiefe ist ebenfalls ok ... sogar identisch mit mit meiner! Also hier muss ich auch nichts verändern
- Für meinen "Bauch" ist ebenfalls ausreichend Platz und auch mein "Po" passt gut hinein.
Super. .... in der Länge muss ich nichts verändern. Voraussgesetzt mir gefällt auch die Pullilänge und ich möchte diese nicht kürzen oder verlängern.





Nun prüfe ich die Umfangsmaße!

Oben angefangen sehe ich, dass meine Schulter etwas breiter ist. Da ich hier über eine Nahtzugabe von 1,5 cm verfüge, gebe ich hier erst einmal keine Mehrweite an, sondern notiere mir auf dem Schnitt beim Annähen des Ärmels, hier die Ärmelansatznaht bei der Anprobe zu prüfen und dann zu entscheiden, ob ich etwas Weite noch zugeben sollte.


(Das Foto zeigt, dass ich mir auf dem Schnittmuster die Waagerechte für den oberen Brustumfang eingezeichnet habe. Weiterhin habe ich mir auf dem Schnitt notiert, dass ich Schulterbreite und ggf. Weitenzugabe im Bereich des oberen BU bei der Anprobe prüfen und evtl. ändern muss)







Gleiches gilt für die Stelle des oberen Brustumfanges. Hier seht ihr, dass dieser etwas mehr "Platz" bei mir benötigt, als der Schnitt vorgesehen. 

Allerdings ist die Armlochkurve insgesamt etwas weiter geschnitten, so dass ich hier möglicherweise ebenfalls auf die Mehrweite verzichten kann und wenn ich mir den Schnitt anschaue, sehe ich, dass genau in dem Bereich mittig die Öffnung noch vom V-Ausschnitt ist, so dass ich mir hier nur den Hinweis auf dem Schnitt mit aufführe, an dieser Stelle bei der Anprobe drauf zu achten, ob Zugfalten vorhanden sind und ich evtl. doch Änderungen in der Weite vornehmen muß.

Im Brustbereich liegt zwischen meinem Umfang (102) und dem Umfangsmaß laut Schnittmustertabelle (100) eine Differenz von 2 cm vor.
Messe ich den Abstand ist aber immer noch eine Mehrweite von 1 cm vorhanden.
Je nach Stoff überlege ich, ob mir dieser 1 cm für die Bequemlichkeit ausreicht oder ich hier noch an jeder Seite 0,5 cm hinzufügen möchte ( jeweils 1 cm am Vorderteil und 1 cm am Rückenteil)






Genauso betrachte ich mir die anderen horizontalen Linien.

Jetzt habe ich hier nur die Schablone für das Vorderteil angefertigt. Diese könnt ihr natürlich genauso für den Rücken, als auch für die Arme anfertigen.

Ihr seht, so könnt ihr mit einer einmaligen  Aktion - nämlich dem Anfertigen einer Schablone eures Oberkörpers - ganz schnell und einfach erkennen, ob ihr das Schnittmuster in der ausgewählten Größe nutzen könnt, oder auf eine evtl andere Größe ausweichen sollte, oder geringe Änderungen vornehmen könnt.

ABER .... es ist nur eine "platte" Schablone und kein dreidimensionaler Körper! Bestimmte Körpereigenschaften, evtl. Neigungen können damit - wenn überhaupt - nur schwer eingezeichnet werden.
Doch für das schnelle und einfache Erkennen, ob beispielsweise die Taille versetzt werden sollte, oder ob der Armausschnitt ggf. zu eng oder zu weit ist, lässt sich mit Hilfe dieser Schablone wirklich gut erkennen und auch schnell verändern!

Achtet aber immer darauf:
- wie ist das Design? Soll die Taillenlinie auch wirklich in Taillenhöhe liegen oder möchte der
  Designer möglicherweise einen höheren Taillenansatz wie z.B. beim Empireoberteil
- aus welchem Material soll das Kleidungsstück genäht werden?
- lassen sich Weitenzugaben des Kleidungsstückes auf den Fotos evtl. abschätzen, welchen Fall
  soll das Kleidungsstück haben?
- berücksichtigt bei dehnbaren Stoffen immer deren Dehnbarkeit. Für einen körpernahen oder auch
  körperanliegenden Sitz darf der Papierschnitt auch gerne schmaler als eure Körperschablone sein,
  wenn der Stoff über eine ausreichende Dehnbarkeit verfügt.

Im Grunde genommen habt ihr nun auch eine Grundlage zur Anfertigung von Kleidung die ihr auf eure Maße nähen könnt. Wie ihr das nun machen könnt, erklärt euch wunderbar Svenja Köhler in den Videos von kaidso onlinekurse.


Habt Ihr Fragen? Scheut euch nicht, diese hier zu stellen oder mich anzuschreiben. Und weiterhin gilt dieses natürlich auch, wenn ihr Themenwünsche habt. Ich freue mich total, wenn ich euch mit meinen Tipps, beim Nähen unterstützen kann.



















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